Kultur und Tradition

Ein Zitat:

“Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass die Volksfeste zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland gehören. Jahrmärkte sind über Jahrhunderte Tradition – sie sind Kultur, und zwar Kultur für alle. Die Menschen identifizieren sich vor Ort mit ihren Kirmessen und Jahrmärkten. Volksfeste gehören zu unserer Kultur wie Musik, Architektur und Literatur.” (Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf dem Delegiertentag des Deutschen Schaustellerbundes e.V. im Jahr 2009)

Wie komme ich jetzt auf dieses Zitat? Es wurde mir dieser Tage zugespielt. An sich ist vielleicht wenig an diesem Zitat auszusetzen, es gibt ja schließlich eine ganze Reihe Kirmessen und Jahrmärkte, zum Teil in Jahrhunderte alter Tradiotion, für die man wirklich mal darüber nachdenken kann.

Aber dieses Zitat erreichte mich im Zusammenhang mit dem Neubrandenburger Oktoberfest, eine der am künstlichsten aufgepfropftesten und traditionsfreisten importierten Sauf- und Fress-Veranstaltungen in der Stadt. Mich erheitert sowas maßlos. Ich hoffe, Euch gehts ähnlich.

Warum beginnt jede Tagesschau mit einer Lüge?

Der wichtigste Satz an den Anfang: Die Frage in der Überschrift betrifft nicht nur die Tagesschau. Bei Tagesthemen, heute, heutejournal, RTLaktuell, Sat.1-Nachrichten u.a trifft das auch zu. Die RTL-II-News lügen in dem Zusammenhang übrigens nicht, genau wie die KabelEins-News und die von ProSieben. Und ich meine nicht das “Guten Abend, meine Damen und Herren.” bzw. vergleichbare Floskeln.

Das Fernsehen hat in den letzten Jahren einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht. Das meine ich weniger inhaltlich als technisch. Wenn man sich allein mal die Übertragungswege ansieht, über die uns die Programme erreichen:

  • analoges Kabel
  • digitales Kabel SD
  • digitales Kabel HD
  • DVB-T
  • DVB-S (Satellitendirektempfang) in SD
  • DVB-S in HD
  • IPTV á la Entertain & Co.
  • Livestreams über die Mediatheken der Sender
  • IPTV über Zattoo, Magine, Couchfunk & Co.

Wenn man sich mal überlegt, dass bis ca. 1980 alles “nur” über analoges Antennefernsehen lief. Ok, da auch nur mit 3 Programmen. Aber immerhin.

Während aber das analoge Antennenfernsehen die Signale noch mit knapp 300’000 km/s übertrug, von der Livekamera bis zum Fernseher, ist das heute nicht mehr der Fall. Die Signale werden zwar immer noch genauso schnell übertragen, aber es gibt Umformungspunkte, wo alles decodiert/codiert/recodiert u.ä. wird. Außerdem speichert das Empfangsgerät unterschiedlich viele Daten zwischen (cache oder buffer), um eine flüssige Wiedergabe zu gewährleisten. Außerdem kommen die längeren Strecken über den Satellit noch hinzu, was schon beim analogen Sat-Empfang(†) zu Verzögerungen führte.

So hängt die Dauer der Übertragung vom Übertragungsweg und auch vom Endgerät ab. Hinzu kommt eine mittelbare Abhängigkeit von der Auflösung. Merke den Spruch von der letzten Fußball-WM: Je besser das Bild, desto später das Tor. So kommen Laufzeitunterschiede von mehreren Sekunden zusammen. Berücksichtigt man auch noch die Livestreams oder das IPTV, kann man mit – technisch bedingten – Verzögerungen bis zu einer Minute rechnen.

Bleibt die Frage, warum am Beginn der Sendungen überhaupt Uhren gezeigt werden. Ich hoffe mal, das “Das haben wir schon immer so gemacht, also bleibt das so.” nicht der einzige Grund ist. Vernünftig ist er nicht. Aber warum dann die Lüge jedes Mal?

Jetzt reicht’s: Gelbe Karte

Da schrieb doch am Nachmittag des 9. September jemand: “Der Gottesdienst fängt an!” Irgendso ein Handy-Laden brachte wohl ein neues Handy raus und kündigte eine neue Armbanduhr an. Und große Teile der Journalie schaltete das Hirn aus und geiferte einem gewissen Herrn Cook nach. Selbst Edelblogger aus dem Krautreporter-Umfeld waren sich für großflächige PR nicht zu schade, nahmen Kosten und Mühen in Kauf, um den interessierten Fanboy zu “informieren”.

Beispiel: Richard Gutjahr. Er berichtete wohl sogar live von dem Event. Oder wollte es zumindest. Für nur -,99 € war man dabei. Interessnt an seiner Ankündigung ist die Begründung, warum der Leser dafür bezahlen soll:

Warum bezahlen?

Die Preise für Flug und Hotel waren happig – auf diese Weise möchte ich wenigstens einen Teil meiner Reisekosten wieder reinholen. Zugleich ist Euer Beitrag für mich ein besonderer Ansporn, möglichst viele Eindrücke einzufangen und unmittelbar bereit zu stellen, um Euch den Abend über so gut wie irgend möglich zu unterhalten.

Fassen wir also zusammen: Da bringt ein Handy-Entwickler und -händler ein neues Modell heraus und kündigt zeitgleich eine neuartige Armbanduhr mit Kinderkrankheiten an. Dafür lädt er zu einer PR-Pressekonferenz und die Journalisten, die da sind, lassen sich dann auch noch von ihren Lesern dafür bezahlen, dass sie die Werbung der Firma übermitteln? Da stimmt doch was nicht.

Liebe Krautreporter,

wenn ihr noch mehr solche PR-Journalisten in Euren Reihen habt, kündige ich Euch nicht nur meine Liebe. Immerhin ist Herr Gutjahr nicht der erste, der mir – aus den unterschiedlichsten Gründen – negativ aufgefallen ist, auch wenn ich mein Unbehagen bei den anderen nicht öffentlich ventiliert habe.

Schlecht recherchiert

Gerade auf der Seite 1 sollte man die besten Artikel einer Zeitung vermuten. Oder zumindest die am besten recherchierten, weil kunden- und leserlockenden. Aber dann … “Neue Radiosender bleiben im Landesosten ein Wunschtraum” titelt unsere Heimatpresse dieser Tage und beschreibt die im Vergleich zu Berlin und anderen Radiohochburgen eher schmale Programmversorgung in der Region. Aber dann der Faux pas …

In der Mecklenburgischen Seenplatte und in weiten Teilen Vorpommerns bleibt es … bei Magerkost: Wer in Auto oder Garten andere Programme als einen von fünf NDR- und zwei Privatsendern, Deutschlandradio Kultur oder Deutschlandfunk hören will, geht leer aus. (NK, 10.09.2014, Seite 1)

“Hier irrte Goethe!”* möchte man dem Autor entgegenwerfen. Fischland, Darß und Zingst (Teile von Vorpommern) werden mit einem lokalen Radioprogramm aus Kühlungsborn versorgt. In Stralsund und Umgebung (auch Vorpommern) kann man sich private klassische Musik auf die Ohren legen.

Und dann gibts da noch das Dreigespann NB-Radiotreff 88,0radio 98einsStudio Malchin. Mit den drei Sendern werden weite Räume der Seenplatte und Vorpommerns abgedeckt. Lt. Angaben der Firma Mediabroadcast werden ca. 315’000 Menschen technisch erreicht, das ist ein Fünftel aller Einwohner des Landes M-V und sicher die Hälfte in der angesprochenen Region. Das sollte man nicht übersehen. In einem breiten Streifen wird der Bereich von Woldegk über Neubrandenburg, Stavenhagen, Malchin, Teterow bis fast zur Autobahn 19 sowie Vorpommern fast von Stralsund über Greifswald, Grimmen und Loitz bis zur B111.

Und das schöne: Dies sind Offene Kanäle, wo man hingehen und das Radioprogramm mitgestalten kann, inklusive Musikauswahl.

P.S.: Achja, bevor das Argument “Wer hört denn den Sender?” kommt: Laut “Funkanalyse Ostdeutschland 2013” (INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung, Berlin) hat NB-Radiotreff 88,0 in seinem Sendegebiet einen Weitesten Hörerkreis (WHK = Hörer in den letzten 2 Wochen) von 47%. Hochgerechnet auf alle drei Sendegebiete sind das auch knapp 150’000 Leute.

_________

*) eine in der Literaturgeschichte gängige Floskel