Markenschutz akut nötig

Liebe Montagsdemonstranten von 1989,

bitte tut etwas. Eure Leistung wird in den Dreck gezogen. Ihr habt in der Vorwendezeit dafür gesorgt, dass die friedliche Revolution gesiegt hat. Dadurch hat der Begriff “Montagsdemo” einen gewissen Markencharakter bekommen, durchaus auch positiv besetzt, der in der letzten Zeit immer öfter und immer mehr in den Schmutz gezogen wird. Das darf nicht passieren. Auch wenn die damaligen “Montagsdemos” in Neubrandenburg nicht am Montag, sondern wohl am Mittwoch(?) stattfanden, es gilt, ihr Andenken zu wahren.

Wie komme ich drauf? Heute wurde ich Zeuge einer Montagsdemo auf dem Neubrandenburger Marktplatz. Ein paar Transparante, ein beschallungsanlagenverstärkter Redner (zumindest in der Zeit, wo ich in Hörweite weilte), und ein gutes Dutzend Anwesende, deren Funktion in der kurzen Zeit nicht auszumachen war: Zuschauer, Teilnehmer, zufällig gerade auf dem Platz, Neugierige. Sagen wir mal so: Auf einem nicht angekündigten Grünmarkt ist mehr los. Aber was wurde geboten?

Dass im Moment in diesem Land und auf der Welt einiges nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, und dass man einer Reihe von Entwicklungen durchaus kritisch gegenüber stehen kann, ist unbestritten. Und wenn der Bürger nicht bald etwas gegen mancherlei dieser Missstände etwas unternimmt, wird es in absehbarer Zeit richtig übel mit der Gesellschaft. Aber was da auf dieser Montagsdemo als Thema angeboten wurde (ich habe nur eins mitbekommen), war plattester Populismus, der sich an absoluten Nebenschauplätzen aufgeilt und mit billigen Taschenspielertricks versucht, Stimmung zu machen, die diffus und wenig sinnführend ist, weil sie ggf. die Unzufriedenheit aufstachelt, aber keine Lösungsvorschläge oder keine konkrete Arbeitsrichtung anbietet.

Natürlich sind das Freihandelsabkommen mit den USA, die Auslandseinsätze deutscher und europäischer Soldaten weltweit oder die seit Jahren anhaltende Wirtschafts(?)-Krise wenig sexy für eine schwungvolle Rede, weil man sich vorher mit einer umfangreichen Faktenlage befassen muss, die es gilt zu verstehen und einzuordnen (eine Fähigkeit, die ich mir selber auch abspreche, auch mangels Kenntnis der Fakten). Aber sich auf eine Neiddebatte zu reduzieren, indem man die Abgeordnetendiäten thematisiert, ist thematisch billigster Ramsch aus der Populismuskramkiste: nicht zielführend und die Politikverdrossenheit fördernd.

Jetzt holen wir mal alle unsere Lohn- und Gehaltsstreifen raus. Alle! Und suchen die Stelle, wo die Lohnsteuer steht. Wer seine Jahresabrechnung findet – die reicht auch.

Gefunden?

Gut.

Nun vergleiche mal die, die ihre Monatsabrechnung in der Hand halten, den dort abgedruckten Steuer-Wert mit 0,75 € (oder: 75 Cent). Und die mit der Jahressteuerrechnung vergleichen den Wert mit 8,75 €. Das kostet jeden Bürger der deutsche Bundestag mit seinen Abgeordneten (Quelle) im Jahre 2012. 700 Mio. €, geteilt durch 80 Mio. Einwohner. Wie würde die Deutsche Bank sagen? Peanuts. Und wenn ihr das von Euren Steuern abgezogen habt, bleibt noch genug übrig, deren Verbleib entschieden interessanter ist, als 598 (plus Überhänger) Menschen ein – zugegeben gutes – Einkommen zu gewährleisten. Das ist im Moment definitiv ein kleineres unserer Problem.

Also, liebe Montagsdemonstranten von 1988/89! Tut was, damit Euer Werk nicht durch die heutigen Montagsdemonstranten in den Schmutz gezogen wird. Nur fürchte ich, da wird nicht viel passieren. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten hat so mancher damaliger Demonstrant sein Leben in “wohlsituierte Bahnen” lenken können, denen gehts zu gut zum Demonstrieren. Und so wird auch das Denkmal der Montagsdemo vom Sockel gestürzt und landet im Staub der Geschichte. Schade.