Nachdem ich mittlerweile zum wiederholten Mal zumindest komisch angeguckt worden bin, als ich winzige Details zu meinem Tagesablauf offenbarte bzw. offenbaren musste, will ich den hier mal zur Diskussion stellen. Die Reaktionen reichten bisher von Mitleid auf der guten Seite der Gefühlsskala bis zu verächtlicher Assi-Einsortierung am anderen Ende. Dreh- und Angelpunkt bei der Einschätzung scheint der Zeitpunkt des morgendlichen Aufstehens zu sein, frei pauschalisiert: Je später, desto assi.
Das Image des Deutschen ist u. a. der des fleißigen, ordentlichen und exakten Arbeiters. Soweit das Bild von außen. Von innen scheint es sich zu verstärken: Hinzu kommt, dass er dafür allerspätestens um 7 Uhr auch mit der Arbeit anzufangen hat. Besser wäre 6:30 Uhr. Frühes Aufstehen ist erste Bürgerpflicht, alle, die das nicht hinbekommen, sind Faulpelze, Schlafsäcke oder ähnliches. Wer nicht früh aufsteht, verschläft den halben Tag und versäumt sein Leben.
Achja? Wollen wir doch mal einen allgemeinen Tagesablauf Revue passieren lassen. Dabei wird mal eine normale 40-Stunden-Arbeitswoche, halbwegs gleichmäßig auf 5 Tage verteilt, unterstellt. Um es allgemeiner zu halten, beginnt der Tag mit dem Zeitpunkt x, dem Zeitpunkt des Weckens.
- x + 00h00: Wecker klingelt
- x + 00h10: aufstehen, Morgentoilette und sonstige morgendliche Verrichtungen
- x + 01h00: Wohnung verlassen
- x + 01h30: Arbeitsbeginn
- x + 05h30: Mittagspause
- x + 10h00: Feierabend, Heimweg mit kleineren Erledigungen
- x + 11h30: Ankunft zu Hause*
- x + 12h00: Abendbrot*
- x + 12h30: private “Verpflichtungen”, Hobbys, gemütlicher Abend, social communications*
- x + 15h30: Abendtoilette
- x + 16h00: Nachtruhe
- x + 24h00: Wecker klingeln
Sollten Freizeitaktivitäten gleich nach der Arbeitszeit erfolgen, verschieben sich die mit * bezeichneten Zeilen 0h30 bis 1h00 nach hinten. Ansonsten dürfte, mit kleinen Ungenauigkeiten, der Ablauf entweder stimmen oder nachvollziehbar sein. Dem Klischee sei Dank.
Rechnen wir jetzt mal ein konkretes Beispiel durch und nehmen einen Arbeitsbeginn für 7 Uhr an. Der Wecker klingelt dann gegen 5:30 Uhr. Da 11 Uhr als Mittagspause etwas unpassend wäre, zerteilen wir es auf 10 Uhr Frühstück und 12 Uhr Mittag. 15:30 Uhr wäre dann Feierabend, nach dem man eine Freizeitaktivität durchführt, 18 Uhr Abendbrot isst und allerspätestens 22 Uhr im Bett verschwindet. Ganz dem Klischee ergeben ist man mit einem Arbeitsbeginn um 8 Uhr: Wecker um 6:30 Uhr, Mittag um 12 Uhr, 16:30 Uhr Feierabend, 18 Uhr Abendbrot, 22:30 Uhr Nachtruhe.
Vom allgemeinen zum konkreten, wenn auch mit einem etwas anderen, weil sozusagen von außen vorgegebenen Aufhängungspunkt: Feierabend 19:00 Uhr. Legen wir den ansonsten gleichen Tagesablauf zugrunde, wird einiges auf den ersten Blick etwas komisch, aber wenn man es genauer überlegt, vielleicht doch nachvollziehbar. 20:00 Uhr Abendbrot, dann etwas E-Mail und Nachrichten überprüfen und 1:00 Uhr ins Bett. Jetzt kommen die komischen Sachen: 14:30 Uhr Mittagspause, 10:30 Uhr Arbeitsbeginn, 09:00 Uhr Wecker klingeln und 23:00 Uhr Zeit für Freunde, Bekannte, Familie und andere privaten “Verpflichtungen”.
Habe ich nicht auch das Recht auf den gleichen Tagesablauf, wie andere Berufstätige auch? Oder sollte ich mir einen anderen Ablauf ausdenken? Das hätte dann vielleicht sogar den Vorteil, Freunde und Bekannte öfter zu Gesicht zu bekommen. Im Moment fokussieren sich einige Freundschaften auf elektronischen Kontakt.
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert! 😉
Mach Dir doch keine Gedanken, was Andere über Dich denken! Wie Du Deinen Tag einrichtest, ist immer noch Deine Angelegenheit. Schließlich gibt es auch Schichtarbeiter und der muss sich auch nicht schämen, wenn er Mittags im Bett liegt. Es gibt individuelle Arbeitszeiten und im Zeitalter der Gleitzeit, hat man ein Stundenkonto, da kann man auch einmal etwas abfeiern.
Man ist kein besserer oder schlechterer Mensch wenn man eine andere Zeiteinteilung hat. Ich bin auch eine Nachteule und stehe dazu! Meine Nachbarn erzählen mir immer, sie stehen früh auf. Wenn ich zufällig selbst mal früh aufstehe, ist bei denen noch alles dunkel. Dabei sind sie zu Hause und können tun, was sie wollen.
Leben und leben lassen! 🙂
Mehrere Gedanken zur Antwort.
Ein Zitat, dass ich mal irgendwo aufgeschnappt und ggf. auch adaptiert habe: Wer im Ruf steht, ein Frühaufsteher zu sein, kann lange schlafen. 😉
Über den ruinierten Ruf mache ich mir keine Gedanken. Ich ärgere mich nur manchmal ein wenig darüber, dass andere ihre Intoleranz so offen raushängen lassen.
Schichtarbeit hatte ich auch mal, wenn auch nur 2 Schichten, eine ab 8 Uhr und eine ab 13:45 Uhr. Hat mir besser gefallen als das jetzige, leider vorerst nicht änderbare Modell.
Der Teil, der mir wirklich nicht gefällt, fasst sich aus den jeweils letzten beiden Zeilen der letzten beiden Absätze des Originalbeitrages zusammen …