Dass ich ihn nicht mag, schrieb ich wohl schon mal. Dass ich ihn sogar schädlich – der Sache wegen – halte und vieles andere mehr kommt jetzt.
Wobei sich – wenn man eine Weile drüber nachdenkt, kommt man fast von allein drauf – eine Frage in der Beschäftigung mit dem Thema langsam aber nachdrücklich immer weiter nach vorne drängt: Wo ist die Grenze zwischen Engagement und Personenkult? Und gibt es da überhaupt einen Zusammenhang? Wobei da aber noch die Begrifflichkeiten geklärt werden müssen.
Nicht gemeint ist die Götzenverehrung, wie wir sie historisch bei Monarchen, Diktatoren u. ä. – historisch und aktuell – finden. Das ist eine Übertreibung, die hier nicht weiter angesprochen werden soll. Gemeint ist eher die Variante, die manchmal so nebenbei passiert, kurzfristig sogar positive Wirkungen bringt aber langfristig dann doch Schwierigkeiten macht, vor allem dann, wenn die Person nicht mehr verfügbar ist, aus welchem Grund auch immer. Projekte, Bewegungen, Produkte oder ein welcher Form auch immer etwas vorliegt, werde diese mit Huldigungen an einzelne, maßgebliche Urheber (im weitesten Sinn) verknüpft, sind mir suspekt.
Wobei das ggf. falsch formuliert ist. Nicht die Sache oder Idee an sich ist mir suspekt, sondern die Menschen, die dieser Huldigung anhängen. Sollten das natürlich viele oder alle sein, die sich damit befassen, überträgt es sich doch wieder aufs große Ganze. Beispiele lassen sich da viele finden. Einzelne Computerhersteller (und ihre Chefs), künstliche Weltsprachen (und ihr Erfinder), religionsähnliche Gemeinschaften, Sekten (und ihre Begründer) usw. usf. Der Weg vom Engagement zum Kult ist manchmal schnell gegangen.
Schauen wir mal auf den Afrikanischen Kontinent ins Dorf Oujnmrfkwejhnuzh (Name des Ortes vom Autor geändert). Die ursprüngliche Lebensweise der Einwohner hat sich seit Jahrhunderten kaum geändert, wobei ein wenig Zivilisation auch hier schon angekommen ist, nicht nur zum Vorteil aller. Dieses Dorf hat, weil es ein Stück vom nächsten Fluss weg liegt, eine interessante Wasserversorgung. Der klassische Dorfbrunnen existiert, ist aber schon lange Zeit ausgetrocknet. Mit Lehm und Strauchmaterialien wurde er nach unten abgedichtet und funktioniert jetzt eher wie einen Zisterne. Da es mit dem Regen nicht weit her ist, wird Wasser aus dem Fluss entnommen und in die Zisterne gefüllt. Früher trugen die Frauen des Dorfes in einer langen Kette das Wasser dahin, seit ein paar Jahren gibt es ein hölzernes Rohr- und Fließsystem, über das das kostbare Nass ins Dorf kommt. Dazu muss es aber am Fluss mit Muskelkraft ein Stück nach oben gepumpt werden.
Dafür im Dorf zuständig ist Pamujtgt (auch der Name ist vom Autor geändert). Und das Dorf hat damit einen guten Griff getan. Pamujtgt ist kräftig und auch nicht blöd. Im Gegenteil. Immer, wenn der Brunnen voll ist, legt er sich nicht auf die faule Haut, sondern überprüft die Leitungen, verbessert die Wasserversorgung, repariert die Zisterne und hat auch schon in einzelnen Häusern kleinere neue Zisternen gebaut, so dass man dort einfacher auf das Wasser zugreifen kann. Das freut die Dorfbewohner und Pamujtgt freut sich, dass es sie freut. Und mit so viel Freude macht die Arbeit auch gleich noch mehr Spaß. Bald sprechen alle nur noch von Pamujtgts Wasser. Pamujtgts Wasser hier, Pamujtgts Wasser dort. Ihm gefällt das und unterstützt das auch fleißig. Er macht die Wasserversorgung des Dorfes zu seinem persönlichen Ding. Einmal gab es sogar schon das große Wasserfest, in dessen Mittelpunkt Pamujtgt stand und vielfältige Grüße und Glückwünsche entgegennahm. Das ganze Dorf war auf den Beinen, sogar der ganze Stamm (zu dem mehrere Dörfer gehörten) schickte Delegierte zum Wasserfest: die Dorfältesten, die Medizinmänner, der Stammesälteste, selbst der Missionar aus Europa kamen.
Eines schönen Tages ist der Brunnen leer. Vom Fluss kommt kein Wasser und Pamujtgt wurde auch schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Die Dorfbewohner suchen ihn, können ihn aber nicht finden. Ist er einem hungrigen Löwen zum Opfer gefallen, einem böswilligen Krieger aus einem der Nachbardörfer oder von einer Elefantenherde zertrampelt worden? Keiner weiß es. Aber seine Arbeit – das Wasser – muss erledigt werden. Schnell findet sich jemand, der sie übernimmt: Kavrbuz. Aber irgendwie ist etwas anders. Zwar funktioniert die Wasserversorgung wieder und auch das Leitungssystem wird gepflegt. Aber bei den Hauszisternen haperts. Als Kavrbuz auch dafür sorgen will, werden ihm Steine in den Weg gelegt. Er wäre ja nicht Pamujtgt, höchstens der neue Pamujtgt oder Pamujtgt II., und könne man ja nicht wie bisher …
Tja, das kommt dabei heraus, wenn man seinen – eigentlich normalen – Aufgaben zwar engagiert nachgeht, aber in der Außenwirkung mit seiner Person so fest verbindet, dass es wie eine Einkeit rüberkommt. Damit schafft man Legenden und Kultobjekte, aber auch Probleme für die Leute, die die Aufgaben weiterführen. Wie sagte doch Ludwig der Sonnnige, genannt der XIV. König (oder so ähnlich): “L’Etat c’est moi.” (“Der Staat bin ich.”)