Der Prolog
Wenn Freunde einen Geburtstag feiern und man dazu auch noch eingeladen ist, dann sind es wohl die gesellschaftlichen Konventionen, dass man ein Geschenk mitbringt. Aber man macht das auch auch gern. Manchmal – ganz selten – wird diese Geschenkangelegenheit zu einem Martyrium. Und dabei meine ich diesmal nicht die Auswahl eines Geschenkes. Der familieninterne Geheimdienst war mit ein paar Tipps behilflich, also war das größte Hemmnis bereits überwunden. Dachte ich.
Ein Gutschein eines Internetversenders sollte es werden; aber nicht so ein allgemeiner Generalist sondern schon ein spezieller Laden, man möchte ja auch nicht ganz so einfallslos erscheinen. Also wurde erstmal geprüft, ob es überhaupt Gutscheine gab … Zur allgemeinen Freude war das der Fall. Neben einer relativ flexiblen Werte-Auswahl stand die technische Form noch zu Disposition: gedruckte Karte oder E-Mail mit PDF-Anhang. Aus Zeitgründen habe ich mich doch für die PDF-Datei entschlossen, obwohl ich gerade keinen Drucker in meinem Dunstkreis habe, der einwandfreie Druckbilder liefert. Aber das Problem war einfach zu lösen. Immerhin war der Gutschein ein Gemeinschaftsgeschenk von mehreren …
Die Chronologie
Tag 1 (nennen wir ihn Montag, abends)
Dass in Internetshops nachts nicht gearbeitet wird, damit kann man ja nicht rechnen. Ein Indiz dafür könnte aber sein, dass es den Internetshop auch als realen Laden gibt. Nunja. Ich gab die Bestellung „Gutschein als E-Mail mit PDF-Anhang“ auf und scheiterte dann an der Bezahlung. Trotz auf der Webseite beworbene Bezahlung per Kreditkarte ging das bei Gutscheinen offensichtlich nicht. Rechnung war ebenfalls nicht möglich, so dass ich unwillig, aber wild entschlossen die Variante „Vorkasse“ wählte. Nach dem Abschicken der Bestellung sollte mir eine E-Mail die Zahlungsinformationen kundtun und sobald das Geld angekommen war, werde die PDF auf den Weg geschickt.
Tag 1 (etwas später)
Nach dem Abschicken der Bestellung öffnete ich meine Bankingsoftware und bereitete alles für die Überweisung vor. Was nicht kam, war die E-Mail mit den Zahlungsinformationen. Abwarten.
Tag 1 (kurz vor Mitternacht)
Oh, die erwartete E-Mail kam doch noch. Dann mal schnell das Geld überwiesen, die elektronische Übermittlung des Vermögens dauert ja auch immer noch ein bisschen, und am Samstag soll schon gefeiert werden …
Tag 2 (morgens)
Na, das ging ja fix. Während auf der Webseite noch gewarnt wurde, dass eine Überweisung bis zu 4 Tage dauern kann, kam nach 8 die E-Mail, dass das Geld eingetroffen ist. Über den Versand der Ware, heißt es da auch unter anderem, werde ich gesondert informiert.
Tag 2 (mittags)
Es kamen zwei E-Mails – im Abstand von 2 Minuten. Die zweite sogar mit PDF-Anhang. Dieser entpuppte sich – wie man aber auch schon dem begleitenden Text der E-Mail entnehmen konnte – als die Rechnung. Die andere E-Mail informierte unter der Überschrift „Lieferschein“ darüber, dass die Bestellung an den Versand gegeben wurde. Ich weiß nicht, ob ich es schon mal erwähnte, aber wir sprechen immer noch von einer PDF mit Gutscheincode, idealerweise in schick, und den Versand derselben per E-Mail. Steht auch auf dem Lieferschein.
Tag 4 (tagsüber)
Man entwickelt schon etwas Phantasie, wenn es darum geht, für sich selber zu begründen, warum die PDF mit dem Gutscheincode immer noch nicht da ist. Wird die Datei von Hand mit Paint gemalt? Werden die Würfel für den wie zufällig aussehenden Gutschein-Code jedes mal mundgefräst und es bedarf für jede Stelle des Codes einen eigenen Würfel? Scheitert es womöglich daran, dass es keine 10-seitigen Würfel gibt, damit man das volle Zahlensortiment im Code verwendet? Bei letzterer Frage könnte ich helfen. Entweder, man nimmt statt des Würfels einen Dodekaeder, der mit seinen 12 Flächen auch noch Komma und Punkt zuließe, oder gleich einen Ikosaeder, der mit seinen 20 Flächen die Zahlen von 0 bis 9 zweimal vollständig unterbrächte. Wie alle fünf platonischen Körper sind die beiden gleichförmig aufgebaut, dass sich eine würfelartige Funktionalität anbietet.
Tag 4 (abends)
Langsam überkommen mich Bedenken, ob die Datei/E-Mail noch rechtzeitig ankommt. Eine Nachfrage beim Shop wird also angeleiert. Da es aber schon nach 18 Uhr ist und der Shop schon geschlossen hat, nutze ich das Ticketsystem auf der Webseite und frage nach dem Verbleib der Elektro-Post.
Tag 4 (abends, etwas später)
Endlich zu Hause. Ich freue mich auf das Abendbrot und leere auf dem Weg zum Herd noch den Briefkasten. Darin – etwas unerwartet – ein gepolsteter DIN A4-Umschlag. Ich entnehme diesem ein(!) A4-Blatt, ebenfalls mit der Überschrift Lieferschein. Und einem wunderschönen Widerspruch in sich:
Ein Lieferschein für eine E-Mail? Und Versand über eine Spedition?
Ein zweiter Blick in den großen Umschlag entblößte noch einen kleinen, und in dem befand sich … Der Gutschein. Physisch. Im Postkartenformat. Mit Gutschein-Code.
Der Epilog
4 Tage für die Zusendung eines Gutscheincodes in einer PDF-Datei – zumindest war es so bestellt. Gründliche Arbeit gut und schön, aber so etwas ist eindeutig zu langsam. Aber vielleicht liegt es in der Natur der Sache und Bogenschützen können immer nur im Bogen arbeiten, direkt und gerade aus geht nicht. 😉
Vielleicht hätte ich ja zu Fuß in den anhängenden realen Shop laufen können und wäre schneller gewesen. Wenn ich denn 100 km in weniger als 4 Tagen bewältigen könnte. Wenn man dann bedenkt, dass der große Generalist seine Gutscheine in beinahe jedem Supermarkt/Discounter feil bietet, meist im Kassenbereich, fängt man wirklich an zu grübeln, ob man nicht damit beim nächsten Mal besser bedient wäre. Zumal der Jubilar auch eine Wunschliste beim Generalisten vorhält.
Das Post Scriptum
Am 5. Tag kam dann auch noch eine Antwort vom Support. Mit einer PDF-Datei als Anhang. Der Gutschein in elektronisch. Mit dem gleichen Code wie auf der Karte. Hätte ja sein können …