Prellbock mit Urea

In der letzten Zeit habe ich einiges über eine Band und ihre Protagonisten gehört und gelesen. Zufällig parallel dazu hatte ich mit einem Ereignis im Krankenhausumfeld zu tun, was sich irgendwie miteinander verband. Manchmal entstehen schon komische Analogien.

Begonnen hat alles mit einem unschönen Vorfall vor einigen Wochen, der aber im Rahmen des Möglichen überwunden ist, aber doch einen kleinen begleitenden Aspekt hatte, der gewisse Ähnlichkeiten mit dem martialischen Auftreten auftreten von Bands hatte (bzw. meiner Meinung darüber). Ich weiß nicht, ob Euch ähnliches auch schon mal passiert ist, aber wenn ein naher Verwandter ins Krankenhaus kommt, gibt’s, je nach Ursache, bestimmte Begleitumstände. Im konkreten Fall – wie drücke ich es vornehm aus – handelt sich um die Kleidung, die der Patient beim notfallmäßigen Einliefern ins Krankenhaus trug, und die arg in Mitleidenschaft gezogen war. Stichwort: ausgetretende Körperflüssigkeiten. Blut war es nicht. Im Krankenhaus wurde er davon befreit und die Sachen wurden in einer Plastiktüte isoliert. Ein Vorgang, den ich aber erst einige Zeit später wahrnahm. Da stellte ich im Patientenschrank getragene Kleidung fest, und den Beutel. Gut zugeknotet.

Als ich den dann zum Zwecke der Reinigung öffnete, stellte ich eine recht intensive olfaktorische Belastung fest, die mich ein wenig auch in meinen Grundfesten temporär erschütterte. Aber die Waschmaschine war schnell geschlossen und in Betrieb gesetzt und das Ergebnis fast vergessen. Bis es mein komisches Hirn mit dem Auftreten einer martialischen Band in Verbindung brachte.

Deren Shows (Mitschnitte sind/waren in den ör Mediatheken verfügbar) waren für mich ausgelebte Phantasien von 12- oder 13-jährigen Jungs (im Körper von Endfünfzigern), gut abgelagert in der eigenen Bubble, ähnlich toxisch gereift wie ein gut luftdicht abgelagerter Beutel Kleidung mit urinaler Verschmutzung. Überflüssig zu erwähnen, dass mir die Musik – schon vor der Betrachtung entsprechenden Videomaterials – auch schon nicht gefallen hat.

Über 5 Ecken kennt man die ganze Welt

Wie sagte schon der vielzitierte Kollege Volksmund so schön: “Gleich und gleich gesellt sich gern.” Damit hat er ja auch durchaus recht, auch wenn “Gegensätze zieh’n sich an.” durchaus auch eine populäre Floskel ist. Widersprüche inklusive. Aber lasst uns bei ersterem Spruch bleiben und ihn zu einem philosophischen Ansatz machen. Der Volksmund ist schließlich ein großer Philosoph, mit der Weisheit von Jahrhunderten.

Nicht ganz so alt, höchstens ein paar Jahre, ist der Begriff “Filter-Bubble”, eine offensichtlich deutsch-englische Koproduktion. Filterblase könnte man auch sagen. Auch dieser Begriff, ursprünglich aus der Informationsverarbeitung, kann man mittlerweile in einen philosophischen Kontext stellen und damit aufs “normale Leben” verallgemeinern. Schnell stellt sich heraus, dass eigentlich jeder in seiner “Filterblase” lebt, ein Effekt, der zunehmend Bedeutung zu bekommen scheint.

Zur Erläuterung kommen wir auf den Volksmund zurück und stellen schnell fest, dass sich das gesellige Gleiche nicht nur auf die Wahl von Lebenspartnern bezieht, sondern auf eigentlich den gesamten persönlichen Dunstkreis. Mit welchen Menschen gestalten wir unser Leben, pflegen Kontakte und verbringen wertvolle Freizeit miteinander? Es sind genau die, mit denen wir irgendwas gemeinsam haben, gemeinsame Interessen, gemeinsame Meinungen (oder eine gemeinsame Ader, über die Meinungen zu streiten), gemeinsame Abhängigkeiten usw. Dabei müssen die Übereinstimmungen nicht allumfassend sein, es reichen bestimmte Teilaspekte, schließlich ist man ja auch nicht umfassend zusammen. 😉

Grob verallgemeinert: Man umgibt sich mit Gleichgesinnten. Wobei der Begriff sehr umfassend zu nehmen ist. So typisch norddeutsche Hanseaten und bayerische Bergbauern wird man selten in der gleichen Filterblase finden. Offensive Christen und aktive Atheisten (wenn sie nicht andere gemeinsame Berührungspunkte haben) trifft dieses Schicksal meist ebenso. Zugegeben, ein wenig Klischee ist schon dabei, aber es soll ja nur die gedankliche Richtung illustrieren.

Die Filterblasen, so flexibel sie manchmal gestrickt sind, zeugen innen doch von einer gewissen Homogenität und meist dann auch von einer gewissen Abgeschlossenheit. Kommt man neu in die Umgebung solch einer Blase und würde auch gern hinein schlüpfen, muss man erst ein der Einlasskontrolle vorbei. Neue Menschen in einer Filterblase bringen neues mit, da muss erst geprüft werden, ob das was bringt, damit die Gemütlichkeit in der Blase nicht gestört wird. Man ist ja gern unter seinesgleichen, da fühlt man sich verstanden, akzeptiert und geachtet. Vereine sind beispielsweise entsprechende gesellschaftliche Ausdrücke, auch Parteien, Freundeskreise, selbst Religionsgruppen u. v. a. m.

Man kann aber auch andere Beispiele heranziehen. In großen amerikanischen Metropolen gibt es “China-Towns”, Stadtteile, die chinesischer sind als manche Stadt in China. Selbst die französische Hauptstadt Paris hat ein Chinatown, aber auch ein tamilisch-indisches Viertel. Und in Düsseldorf gibt es eine Japantown mit einem der größten Buddhistischen Zentren außerhalb Japans. So können auch ganze Stadtteile zu einer Filterbubble werden …

Ach ja, die Überschrift. Irgendwie das Gegenteil von Filterblasen. Aber die Aussage stimmt, wenn man es mal mathematisch betrachtet. Wenn man sich mal überlegt, wie viele Leute man kennt, und sei es auch nur auf dem Level “man grüßt sich, hat aber den Namen schon vergessen”. Oder irgendwelche Freunde von entfernten Verwandten, die man einmal bei einem runden Jubiläum getroffen hat und dann nie wieder. Zählt man die alle zusammen, auf was für eine Zahl kommt man (im Durchschnitt)? Fachleute beziffern diese mit ca. 1000 Menschen. Diese 1000 Menschen kennen aber auch wieder jeder 1000 Menschen (ok, es gibt Überschneidungen, aber was soll’s?!). So sind wir schon bei einer Million. Noch eine Ebene weiter ist auch schon die Milliarde erreicht, und noch eine Ecke weiter die Billion. So viele sind wir aber nicht, von knapp 8 Milliarden geht man wohl aus. Hat einer die Ecken mitgezählt? 1 -> 1000 -> 1’000’000 -> 1’000’000’000 -> 1’000’000’000’000. 5 Ecken.