„Es war die Nachtigall und nicht die Lerche.“
Diese Worte verflüstert Julia in Richtung Romeo und versucht damit, das zeitliche Gefüge etwas zu verschieben. Die Zoologie lehrt uns, dass die beiden Vögel ihren Kehlen zu unterschiedlichen Zeiten die lieblichsten Töne entlocken. Während die Nachtigall – genauer die männlichen Singles auf Brautschau im zeitigen Frühjahr – ab ca. 23 Uhr tirilieren, sind die Lerchen wohl eher am früheren Tag am aktivsten.
In der Schlafforschung spricht man bei den unterschiedlichen Schlaftypen auch gern von „Nachtigallen“ und „Lerchen“, also von Langschläfern (besser: Spätschläfern) und Frühaufstehern. Die Menschen sind eben verschieden. Was ich aber nicht unbedingt nachvollziehen kann, ist die moralische Überlegenheit der Frühaufsteher. „Da hat man doch was vom Tag und verschläft ihn nicht“, ist ein Standardargument, das man in der einen oder anderen Form immer wieder gern zu hören bekommt.
Ich gebe zu: Obwohl ich bei weitem nicht so gut singen kann, bin ich eine „Nachtigall“, also moralisch minderwertiger. Nur warum? Ist der Tag eines Frühaustehers wirklich länger? Hat er dann 25, 26 oder noch mehr Stunden? Die Uhr sagt uns: Nein. Die Physikalisch-technische Bundesanstalt in Braunschweig sagt auch nein. Woher kommt also die Mär, dass Frühaufsteher mehr vom Tag haben?
Als „Nachtigall“ stehe ich gern später auf. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich auch länger geschlafen habe. Die Schlafenszeit ist genau so lang wie bei den Frühaufstehern auch, demzufolge bin ich auch genauso lange wach. Nur, wenn ich dann so richtig munter werde und zur Hochform auflaufe, verabschieden sich die „Mehr-vom-Tag-Haber“ müde ins Bett und ich kann meine Energie ungestört, aber genauso aktiv, in diesen Blogbeitrag fließen lassen.
Nachtigallen aller Welt, vereinigt Euch! Tschieb. Oder besser: Tirilie. Wihd, Karr, Wist karre