Der Einsturz des Kopfkinos

Sollte man den Deutschen Radiopreis, seit diesem Jahr mit auf der großen Preisliste der Medien, im Fernsehen übertragen? Viele Radiosender taten es, und das war auch gut so. Aber das Fernsehen? Ich bin zwiegespalten.

Wer sich ein wenig mit dem Medium Radio beschäftigt, wird früher oder später auf den Satz stoßen: „Radio ist Kino im Kopf.“ Aus dem Empfangsgerät kommt nunmal nur Ton, der Hörer ist gefordert, sich daraus selbst in Bild zu machen. Beim Hörspiel ist das ein sehr vordergründiges Bestreben, aber auch bei der normalen Moderation fangen die „kleinen grauen Zellen“ (nach Hercule Poirot) ganz unbewusst an zu arbeiten und bauen zur Stimme den Mund, die Nase, das Gesicht, den Hals bis schließlich den ganzen Körper.  Sicher sind die Phantasien mehr vage als konkret, aber einen Typus hat wohl jeder vor dem Auge, wenn er eine Stimme hört …

Und dann fingen die Radiosender an, Fotos ihrer Moderatoren ins Internet zu stellen. Eine Unsitte! Sicher entspricht es der Neugierde der Hörer, ihre Tagesabschnittsbegleiter auch mal zu sehen, aber wer weiß, wieviele Phantasien und Träume in sich zusammengefallen sind. Dabei sind derartige Bilder meist noch geschönt und gestellt.

Dann kam das Fernsehen und übertrug das Beste vom Besten beim Deutschen Radiopreis; der Begriff „Radiogesicht“ bekam viele belebte Bestätigungen und man konnte deutlich sehen, warum die Moderatorinnen und Moderatoren beim Radio sind und nicht beim Fernsehen: Weil sie wunderbares Radio machen können mit vielen Qualitäten, die es beim Fernsehen nicht braucht und die auch deswegen dort nichts zu suchen haben.