Markus Lanz steht momentan wohl etwas unter Druck. Gerade auch im Moment der Niederschrift dieser Worte. Aber das ist nunmal bei einer Liveshow mit Millionenpublikum immer so. Gemeint habe ich es nicht. Aktueller Auslöser war wohl eher ein missglücktes Interview mit Sahra Wagenknecht in der Talksendung „Markus Lanz“, in dem der gleichnamige Moderator unangenehm auffiel. Mittlerweile hat er sich für sein dortiges Verhalten entschuldigt.
Das Problem ist nur, dass diese Entschuldigung sinnlos ist. Der Shitstorm gegen ihn wird Markus Lanz dadurch nicht los, auch die Online-Petition bricht nicht ab. Vielleicht verzeiht ihm Sahra Wagenknecht, aber auch das ist eigentlich Nebenschauplatz. Das ganze Ereignis findet sowieso nur auf Nebenschauplätzen statt, zumindest habe ich noch keine Äußerung zum Grund-Problem gefunden. Aber das mag daran liegen, dass selbst die Granden des Medienjournalismus sich eher an Events abarbeiten als an grundsätzlichem. Denn eigentlich sieht man das, was da zur Zeit kritisiert wird, in eigentlich fast jeder Sendung von Lanz.
Leider habe ich nie Journalismus studiert, aber ich stelle mir vor, dass entweder im Studium oder in anschließenden Fortbildungen sowas wie das Handwerkszeug für die vielen journalistischen Formen gelehrt wird. Angepasst auf unterschiedlichsten Medien gibt es da ja eine ganze Mütz von. Allein die korrekte Verwendung von Rechtschreibung und Grammatik gehört dazu, die Handhabung von Mikrofonen (wenn man denn eins in der Hand hat), die Bedienung von Redaktionssystemen, das „Schreiben für’s Sprechen“, die Interviewführung, die Präsentation von Nachrichten im Radio oder im Fernsehen usw. usw.
Greifen wir mal ein (nicht zufällig gewähltes) Beispiel heraus: Die Interviewführung. Beruflich habe ich zufällig damit auch gelegentlich zu tun, so dass ich mich mit dem Thema sowieso schon mal beschäftigt habe. Die Führung eines Interviews ist nur eine Handwerkstechnik, die man erlernen kann. Vorbereitung ist dabei (fast) alles, die richtige Fragestellung kommt dazu, das Zuhören und Mitdenken ergänzen das Fertigkeitsportfolio. Das kann man lernen und anwenden. Wenn man eine gewisse Souveränität dabei erreicht hat, kommt die persönliche Note hinzu. Jeder große Interviewer hat früher oder später einen eigenen Stil entwickelt. Das ging zwar manchmal zu Lasten der reinen Handwerkslehre, aber man konnte das gelernte Werkzeug noch erkennen.
Gefährlich wird es erst, wenn der persönliche Stil überhand gewinnt (oder der Werkzeugkasten sowieso nicht gut gefüllt war). Da nutzt dann selbst persönliche Erfahrung nichts mehr und der Interviewer verrennt sich in der Form in eine Richtung, die vermuten lässt, dass seine Umgebung keine guten Berater und Tippgeber enthält, die ihn wieder auf den rechten Weg zurück holen. Womit wir wieder bei Markus Lanz sind. Bei seinen Gesprächen (man möchte sie fast schon nicht mehr Interviews nennen) überwiegt die eigene Note den grundlegenden Werkzeugkasten bei weitem. Und wenn dann noch die Fähigkeit dazu kommt, mit traumwandlerischer Sicherheit aus einer Äußerung eines Interviewgastes den unwichtigsten Informationsschnipsel herauszuklauben und dann in übertrieben forsch rüber gebrachten Zwischenfragen darauf rumzureiten, dann sind wir am späten Abend bei Lanz‘ Talkshow angekommen.
Am 16. Januar 2014 extrahierte sich alles wunderbar in dem Gespräch mit Sahra Wagenknecht. Aber diese Eigenheiten der Lanz’schen Interviewführung sind eigentlich fast immer in der Sendung zu sehen. Vielleicht spielt es ja auch eine Rolle, dass die Aufregersendung an einem Donnerstag Abend lief, wird doch dort – fast zeitgleich – auf N24 Studio Friedman gezeigt, in der der namensgebende Protagonist Interviews in einem recht besonderen Stil führt. Nicht, dass da was abgefärbt hat. 😉 Und wenn ja, wieso färbt eigentlich immer das falsche ab?