Sollte Politik wirklich auf’s Volk hören?

Da kann man schon mal drüber nachdenken. Sollte Politik wirklich aufs Volk hören? Oder auf Umfragen?

Beispiel Seehofer: Der Bayer an sich wollte keine Windräder im Freistaat. Also sorgte der Ministerpräsident dafür, dass die nicht kommen. Aber Energie braucht man schon in Bayern. So soll jetzt Strom aus Norddeutschland „importiert“ werden, aber effiziente Stromübertragungssysteme wollen sie auch nicht. Also wird teuer unterirdisch verkabelt und mögliche Nebenwirkungen ignoriert. Aber Energie brauchen man schon in Bayern. Die großen Überlandleitungen und die teure Erdverkabelung könnte man vermeidbar machen, aber dazu wäre eine dezentrale Energieerzeugung zum Beispiel mit Windrädern nötig, aber das will man auch nicht. Aber Energie will man schon in Bayern. Soweit das Beispiel.

Wenn Politik ihr Mäntelchen nach jedem Wind hängt, reicht ein Pups, um neue Richtungen einzuschlagen. Die Meinung der sogenannten Basis ist immer nur ein Ausschnitt, eine Teilmenge, und NIE aussagekräftig darüber, was die Gesamtheit denkt und fühlt. Wobei es „des Volkes Meinung“ per se nicht gibt. Dazu sind wir einfach zu viele Individuen in zu vielen Filterbubbles.

Da bekommt man immer wieder den Eindruck, dass Demokratie auf dem Irrtum basiert, dass es eine Schwarmintelligenz beim Menschen gäbe. Diesen Gedanken muss man sich mal langsam abschminken. Das ist einer der größten Irrtümer seit Frank Schätzing.

Politik sollte ihre Richtlinienkompetenz ausnutzen und Vorbild sein. Im Handeln und im Fordern. Dazu bedarf es allerdings Persönlichkeiten, die stark sind, meinungsfest, aber lernfähig, selbstkritisch und unabhängig. Sehe ich aber nirgends. Zumindest nicht in der Politik.

Demokratie pur

Manchmal guckt man ja nicht ungestraft Fernsehen. Im konkreten Fall waren es Nachrichten. Da gab es eine Meldung, wo in zwei Sätzen unsere „Demokratie“ lupenrein beschrieben wurde. Heißt: Das, was dort beschrieben wird, ist alles, aber keine Äußerung über eine Demokratie.

„Neuer Klubchef (eines Vereins – DNB) wird der bisherige Vizevorsitzende XY. Der Finanzfachmann soll auf einer Mitgliederversammlung Anfang Mai gewählt werden.“

Schön, dass jetzt schon klar ist, wer im Mai gewählt wird. Schön, dass Journalisten sowas senden. Schön, dass in Vereinen (und auch der Politik) so gedacht wird. Schön, dass ggf. Bestätigungen einzelner als „Wahl“ bezeichnet werden. Wahl hat für die Wähler auch immer was mit Auswahl zu tun! Und wenn zwei (oder mehr) zur Wahl stehen, dann ist das noch lange keine „Kampfabstimmung“, sondern einfach nur gute Demokratie.

War die Bundestagswahl ein Gemetzel? (aktualisiert)

Keine Angst: Die Überschrift ist nur eine rhetorische Frage. Und der Auslöser hat nur mittelbar mit der Bundestagswahl zu tun. Es geht auch eher um Begrifflichkeiten und ihre Anwendung im Journalismus. Kommen wir mal vom Prinzipiellen über das Allgemeine zum Konkreten.

Ein Baum ist ein Baum. Zwei Bäume sind zwei Bäume. Tausend Bäume sind ein Wald. Ab dem wievielten Baum wird es ein Wald? Eine Kartoffel ist eine Kartoffel. Zwei Kartoffeln sind zwei Kartoffeln. Tausend Kartoffeln sind ein Haufen. Ab der wievielten Kartoffel wird ein Haufen?

Wenn bei der Besetzung eines Postens einer zur Auswahl steht, nennt man das Wahl (Bemerke nur ich den Widerspruch in diesem Satz?). Sind es zwei, nennt man es schon Kampfabstimmung. Was wird es, wenn der Wähler 38 Wahlmöglichkeiten hat? Ein Gemetzel? Völkermord?

Nach der letzten Bundestagswahl findet bei B’90/Grünen das große Stühlerücken statt – wobei meine Gedanken mit der Partei als solches nichts zu tun haben, das ist auch alles schon bei den anderen auch passiert. Die Journaille berichtet pflichtbewusst davon. Für den einen Posten gab es einen Bewerber. Hier sprach man dann von Wahl. Bei einem anderen Posten gibt es zwei Bewerberinnen, schon wurde es eine Kampfabstimmung.

Das Instrument der Wahl gehört zur Demokratie wie das Wasser ins Meer. Dass eine Wahl immer auch eine Auswahl impliziert, wird dem bürgerlichen Wähler mit jedem Wahlzettel vorgeführt. So wäre es doch eigentlich eine demokratische Pflichtübung, zu jeder Wahl mindestens eine Alternative bereitzustellen, meinetwegen auch zwangsweise. Und damit es etwas spannend bleib, gibt es für die die Wiederwahl erschwerte Bedingungen. Wie wäre es da mit einer summierten Mehrheit.

Das lässt sich am einfachsten mathematisch ausdrücken. Bei der n. Wahl für einen Posten braucht der Kandidat eine n/(n+1)-Mehrheit, um gewählt zu werden. Das hieße, bei der ersten Wahl ist alles wie bisher: der Kandidat braucht die Hälfte aller Stimmen, um gewählt zu sein. Bei der ersten Wiederwahl (also der 2. Wahl) braucht es dann schon eine 2/3-Mehrheit, bei der dritten Wahl eine 3/4-Mehrheit usw. So kommen vielleicht auch mal neue Leute auf die Posten.

Aktualisierung (20:02 Uhr): Achnee, liebe Tagesschau. Nicht ihr auch noch. Wenn Menschen zwischen zwei Kandidatinnen auswählen können, dann ist es eine Wahl und keine Kampfabstimmung! Hört auf mit dem Blödsinn!

Der Brunnen der Demokratie hat keine Fontäne (aktualisiert)

Ein wesentliches Instrument der Demokratie ist die Wahl, wo im Idealfall das Volk, aber eben auch gewisse Teilgruppen darüber entscheiden, wen sie für bestimmte Funktionen für den besten halten. Das gibt es im großen wie auch im kleinen.

Dazu gehört aber auch, dass diejenigen, die vor einer solchen Aufgabe stehen, auch wirklich eine Wahl haben. Und dazu gehört im wesentlichen, man möchte es fast essentiell nennen, die Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Ist die sogenannte Wahl nur eine Bestätigung einer Bewerbung, wird sie zu einer Inthronisation, die mit Demokratie nichts zu tun hat.

Als wesentliche Kontrollinstanz im Funktionieren der Demokratie sollen die Medien fungieren, eine Aufgabe, die viele nur noch bedingt nachkommen. Ein aktuelles Beispiel ist der abzusehende Führungswechsel in der Partei „Die Linke“ zur Zeit (wobei das kein Symptom dieser Partei ist, das gibt es in jeder anderen auch). Aber wenn ein gewisser Oscar L. aus S. an der S. sich nur dann zur Wahl stellen will, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt und die Medien das an sich normale Szenario mit der Auswahl aus mehreren potenziellen Führungskräften gleich als Kampfabstimmung hysterisiert, fragt man nach dem Geisteszustand aller Beteiligten, wenn auch unter unterschiedlichsten Gesichtspunkten.

Volker Pispers, bekannter deutscher Kabarettist, hat es in seiner unnachahmlicher Art ausgedrückt: http://www.youtube.com/watch?v=vb4G5xiYlsI

Wobei es natürlich für das Demokratieverständnis eines Herrn Lafontaine spricht, sich nicht einer „Kampfabstimmung“ stellen zu wollen, sondern nur eine ungestörte Krönung zu akzeptieren.