Es gibt da ein altes Weistum, dass man der einen oder anderen PR-Abteilung doch mal in die Köpfe eintrichtern sollte. Ursprünglich kam es mal von den Programmierern und Computerschraubern, aber es gilt auch im normalen Leben.
It’s not a bug, it’s a feature.
In einem großen deutschen, aber auch international aufgestellten Telekommunikationsunternehmen scheint diese Botschaft noch nicht in ihrer allgemeinen Gültigkeit angekommen zu sein. Sowohl Presse- als auch PR-Abteilung haben geschlafen, so dass der Chef unbeschützt der Firma ein riesengroßes Kuckkucksei ins Netz Nest gelegt hat. Stichwort: Drosselkom.
Das große Deutsche Telekommunikationsunternehmen verkündete in persona ihres Vorstandsvorsitzenden, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch einen Drosselparagrafen ergänzt werden sollen (mittlerweile wurde das auch schon getan), der letztendlich unterschiedliche Dienste des Netzes unterschiedlich behandelt. Der Verlust der Netzneutralität wurde beklagt, Zeter und Mordio geschrien usw. usw. In einschlägigen Internetangeboten gibt es die Informationen zuhauf.
Dabei hat noch keiner wirklich ganz hinter die Angelegenheit geschaut, wobei sich einige Blogger ja dessen rühmen, sehen sie doch schon die Einschränkung der Netzneutralität als den Hintergedanken. Das ist er aber mitnichten. Der weitaus größere Skandal ist das Scheitern einer nicht funktionierenden PR- und Presseabteilung des Unternehmens. Es könnte natürlich auch “nur” die Ignoranz des scheidenden Chefs gegenüber dieser und das Nichtbeachten entsprechender Kommunikationspläne sein. Aber davon wäre sicher schon was nach draußen gedrungen bzw. man hätte bei der nachfolgenden Korrektur irgendwas davon bemerkt.
Wo liegt also der Fehler? Grundsätzlicher Gedanke: Wie bei jedem anderen Produkt auch so ist hier zwischen zwei Aspekten unterscheiden. Auf der einen Seite steht das, was man machen möchte, auf der anderen Seite das, was man den Leuten verkauft. Ein einfaches Beispiel soll das Prinzip anschaulich machen: Als Wursthersteller möchte ich, dass die von mir hergestellte Wurst möglichst lange haltbar ist und im Laden liegen kann, damit der Kunde sie kauft. Damit das gelingt, versetze ich sie mit Antioxidations- und Konservierungsmitteln. Das ist zwar völlig normal, verkauft sich aber nicht. Da ich aber für diesen Zweck Ascorbinsäure genommen habe, verkaufe ich den Kunden den Mehrwert im Produkt, dass sie damit auch gleich noch Vitamin C mit aufnehmen können. Und schon ist die negative Aussage durch eine positive ersetzt worden.
Zurück zur Eingangsgeschichte. Ziel der Firma ist es, von seinen Kunden höhere Erlöse zu erzielen. Punkt. Dazu möchte man sich eines Mittels bedienen, dass die Kunden schon von ihren Mobilfunkverträgen kennen: Ab einer bestimmten Datenmenge pro Zeiteinheit – meist Monat – wird der Zugang gedrosselt. Wer mehr will, soll mehr zahlen. Jetzt kommen aber die Verantwortlich der verschiedenen Dienste, die Firma auch anbietet, an und bemängeln, dass das Nutzen ihrer Dienste, was vorteilhaft für die Gesamtfirma ist, auch Datenübertragungen in immensem Ausmaß verursacht. Also wird die einfach Lösung genommen, dass diese nicht auf die Datenmenge, die der Kunde ungedrosselt bekommt, anzurechnen sind. Und für alle, die was anderes datenintensives machen wollen, gibts gegen Aufpreis die Komplettflat. Fertig ist der Lack, ab an die Presse.
Hier hätte jetzt die PR- oder die Presseabteilung (oder auch beide) “Halt! Stopp!” rufen müssen und ihren Chef an die Kandarre nehmen. “Das gibt aber ein Desaster!”. Lasst uns das nochmal durchdenken, wie wir das richtig verkaufen. Dabei ist die Lösung doch so einfach! Wie wäre es mit einer allgemeinen Umstellung der Tarifstruktur?
Per 01.01.2016 kosten alle Internetzugänge je nach zur Verfügung gestellter Bandbreite 10 bis 20 Euro mehr. Sonst braucht man nicht wirklich viel zu ändern. Zusätzlich gibt es eine Art Sozialtarif, benennen könnte man ihn irgendwie chic als “Call&Surf DSL6000 SNplus”, wobei das SN für “social network” steht. Hier gibt es zu einem Preis, der in der Höhe aktueller DSL-Anschlüsse liegt, einen Anschluss, der eine gewisse Datenmenge enthält und bei dem die Dienste der Firma zusätzlich mit oben drauf sind. Diese beiden Vertragsarten (also mit SNplus oder ohne) gibt es dann ab sofort für alle Neukunden und jeder kann sich das aussuchen, was er möchte. Voilà.
Manche Sachen können so einfach sein, wenn man sie nur richtig macht. Und das schöne ist, dass in den nächsten Jahren beinahe alle Kunden sowieso zu Neukunden werden. Oder sagen wir so: Zu Neukunden gemacht werden. Das kann man so machen, muss es aber nicht. Wie die Telekommunikationsfirma in der jüngsten Vergangenheit auch schon ankündigte, will sie ihr klassisches Telefonnetz mit den analogen und den ISDN-Anschlüssen abschalten und auf IP-Telefonie umstellen. So wird dann jeder wieder zum Neukunden.